Weltordnung in der Krise

Mit dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs schienen sich die Fortschrittsversprechen der Moderne schlussendlich doch noch in einer neuen, globalisierten Weltordnung zu erfüllen. Ein Weltmarkt, der die Menschen mit den benötigten Gütern versorgt, und eine internationale Staatengemeinschaft, die über das Einhalten der Menschenrechte wacht. 30 Jahre später scheint diese Ordnung ins Wanken geraten zu sein. Neue Despoten verteidigen überwunden geglaubte Egoismen, der Wert und die Gültigkeit internationaler Institutionen werden offen angezweifelt und vormals verbindliche Normen ignoriert. Erleben wir die Krise der liberalen Weltordnung? Oder wird diese Ordnung vielmehr durch die Möglichkeit ihrer krisenhaften Transformation gestärkt? Die Wissenschaft, die Kunst und das Design finden eigene Antworten auf diese Fragen und verschieben unsere Perspektive. Schließlich lässt sich stets die Frage an die Krise dieser Ordnung stellen, aus welcher Sichtweise sie als Krise wahrgenommen wird.

Die Politik der Krise – Interview mit Darrel Moellendorf, Stefan Kroll, Nicole Deitelhoff, Frank Bösch
FORSCHUNGSPROJEKT

»Welche Weltordnung?«

Nicole Deitelhoff & Lisbeth Zimmermann

Normkontestation 

Schon seit längerem schreien es die Schlagzeilen von den Titelblättern: Die liberale Weltordnung, heißt es, befindet sich in einer ernsten Krise. Nationale Interessen rücken in den Vordergrund, die regelbasierte Ordnung wird relativiert. Die Abkehr von multilateralen Kooperationen ist ein sichtbares Symptom. Handlungsbeziehungen werden zu Handelskriegen und zivilgesellschaftliches Engagement wird eingeschränkt. Doch ist diese Situation wirklich als Krise zu beschreiben? Wie lässt sich über die verschärfte Situation liberaler Organisationsformen jenseits medialer Rhetorik sprechen? An welchen Daten und Ereignissen soll man die Stabilität des gemeinsamen Normensystems festmachen?

Anhand von Protokollen etwa aus der UN Generalversammlung oder dem UN Sicherheitsrat, Interviews und Recherche in Sekundärliteratur unterscheiden Nicole Deitelhoff und Lisbeth Zimmermann zwei Formen der Hinterfragung von Normen, die nicht automatisch zu deren Schwächung führen müssen: So meint eine Anwendungskontestation den Konflikt über konkrete Situationen, in denen eine Norm angewendet werden könnte oder nicht, sowie über die Art und Weise, in der dies geschehen soll. Eine solche Hinterfragung kann zur Präzisierung und Erweiterung des Geltungsbereichs und somit zur Stärkung der Norm führen. Dies ist zu beobachten im Fall der „Responsibility to Protect-Norm“. Diese formuliert eine Pflicht für Staaten, die Einhaltung von Menschenrechten im eigenen ebenso wie in anderen Staaten zu garantieren, zu unterstützen und, im Notfall militärisch intervenierend, durchzusetzen. Auch wenn gestritten wird, in welchen Situationen die R2P-Norm anzuwenden ist, ist ihre Gültigkeit weitgehend unbestritten.

Eine Begründungskontestation dagegen zieht den Kern der Norm selbst als einhaltungs- und durchsetzungswürdigen in Zweifel und führt tatsächlich oft zu dessen Schwächung. Am Beispiel des Walfangverbots lässt sich zeigen, dass eine solche Dynamik häufig durch mangelnde Kommunikation bedingt ist. So wurde das Verbot zunächst als Moratorium beschlossen, das solange in Kraft bleiben sollte, bis die Walpopulationen sich „erholt“ hätten. Da jedoch in der Zwischenzeit immer mehr gegen den Walfang sich wendende Staaten in der Internationalen Walfangkommission verhinderten, dass eine Neuverhandlung des Anwendungsrahmens für kontrollierten Walfang überhaupt auf die Agenda kommen konnte, wurde das Verbot verstärkt als post-koloniales Instrument empfunden. Die Bereitschaft einzelner Nationen, denen Einfluss und Stimme verwehrt wurde, die Norm anzuzweifeln und zu ignorieren, stieg erheblich an.

Normen müssen zerfallen und sich wandeln können, um sich dem gelebten Alltag anzupassen. Wichtig bleibt die Zugänglichkeit für alle Betroffenen zu einem ergebnisoffenen Diskurs, der aus Zustimmung und Ablehnung, aus Protest und Beifall, aus Rechtfertigungen und Anschuldigungen besteht. Normen, die nicht hinterfragt werden dürfen, deren Diskussion vielleicht gar unterdrückt wird, ohne dass Gegenargumente Gehör fänden, laufen Risiko, von (absichtlich) übersehenen Akteuren auch (absichtlich) übertreten zu werden.

Genauso schaden ausbleibende Reaktionen auf Verstöße einer multiperspektivischen Verständigung über Normen und ihre jeweiligen Geltungsbereiche. So schwindet etwa das Bewusstsein für die Tatsache, dass eine Norm verletzt wird, im „Kampf gegen den Terror“, wie er von den USA oder auch Israel, teils unter Missachtung des Verbots politischer Attentate in Friedenszeiten und des Angriffs auf Zivilisten, geführt wird. Der bloße Fokus auf die eigene Position geht oft mit einer Art „Betriebsblindheit“ einher: Übertretungen werden akzeptiert, sofern dies eine Entlastung der eigenen Außenpolitik von unliebsamen Entscheidungen bedeutet. 

Ein äußerlich auferlegter Konsens jedoch, der nur in eine Richtung blickt, wird leicht taub für die Produktivität des Dissenses zwischen unterschiedlichen Interessen und auch Weltordnungsmodellen. Nur ein solcher Dissens vermag es, Normen als temporär fixierte Zwischenergebnisse einer Verständigung lebendig und beweglich zu halten.

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KUNSTPROJEKT

Protect Me From the Human That I Am

Die Menschenrechte sind eine Errungenschaft demokratischer Revolutionen. Dabei werden diese als Ideal verstanden, aus welchem sich politisches Handeln ergeben sollte, das diese in Recht umsetzen muss. Doch stoßen die vermeintlich universalen Menschenrechte immer wieder an ihre Grenzen. Warum verwendet man sie als Argument zu militärischen Interventionen? Warum gibt es Sweatshops und wieso lässt sich Wasser privatisieren? In der Problematik der Menschenrechte offenbart sich die Notwendigkeit ihrer kontinuierlichen Interpretation sowie Aktualisierung und im Streit um die Teilhabe ein anderes, politisches Verständnis der Menschenrechte: das der Möglichkeit einer grundsätzlichen Transformation der politischen Ordnung – der Revolution der Menschenrechte, die niemanden in der Rolle des Opfers festschreibt.

Henriette Kohl

HfG Offenbach

FORSCHUNGSPROJEKT

»Bürokratieversagen und Elefantenschutz«

Anton Peez

Elefantenpopulation

Als Highlight jeder Afrika-Safari, als Schmusetier und als sympathisches Maskottchen – Elefanten stehen hoch im Kurs, doch leider auch als Jagdtrophäen, heiß begehrt wegen ihrer samtig weißen hohlen Stoßzähne, dem Elfenbein. Die Elefantenbestände in Subsahara-Afrika nehmen ab, allein zwischen 2007 bis 2014 um etwa 30%. Grund dafür ist vor allem die Wilderei und der Verlust von Lebensräumen. Der Trend variiert jedoch stark zwischen den Staaten. So nehmen Elefantenpopulationen etwa in Südafrika oder Uganda zu, in Botswana und Simbabwe – den zwei bevölkerungsreichsten Staaten des Kontinents – sind sie relativ konstant. In der Demokratischen Republik Kongo, im Tschad, in Tansania oder Mosambik hingegen fallen die Zahlen deutlich. Die Datenerhebung des „Great Elephant Census“ (2016) leistet hier auf regionaler, staatlicher und sub-staatlicher Ebene fundierte Bestandaufnahme.

Der Elefant wird als größtes auf dem Land lebende Säugetier auch als „charismatische Megafauna“ bezeichnet – er ist, neben etwa Bengalischen Tigern oder Eisbären eine Tierart, die den Menschen besonders fasziniert und vielerorts besondere kulturelle Bedeutung hat. Für Kampagnen eignen sich diese Tiere besonders, da sie emotionale Reaktionen hervorrufen, und als prominente „Testimonials“ des Artenschutzes für die Bedrohung der Ökosysteme sensibilisieren können.

Was die Forschung über den Elefantenschutz aber darüber hinaus leisten kann, ist das Aufzeigen vielfältiger Zusammenhänge. Die Krise rund um den Elefanten verbindet den Natur- und Artenschutz mit dem Tourismus, transnationaler Kriminalität sowie Fragen internationalen Rechts. Zudem existiert der Steppenelefant nur in Subsahara-Afrika existiert, so dass sich im Elefantenschutz häufig politische Fragen der Nord-Süd-Beziehungen stellen. Grundsätzlich steht die Abnahme der Elefantenbestände dafür, dass akute Krisen oft Ausprägungen tiefergehender Probleme sind – etwa das Versagen staatlicher Institutionen und internationaler Beziehungen.

Anton Peez beschäftigt sich mit den Gründen für die Einhaltung oder Nichteinhaltung des Elefantenschutzes in Subsahara-Afrika. Gemäß der multilateralen Konvention CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) verpflichten sich Staaten, den internationalen Handel mit Elfenbein zu unterbinden und so indirekt der Dezimierung der Elefantenpopulation entgegenzuwirken. Tendenziell sind Elefantenpopulationen in solchen Staaten rückläufig, die höhere Grade der Korruption und eine weniger funktionierende Organisationsstruktur aufweisen, welche dafür sorgen könnte, dass beschlossene Konventionen auch eingehalten werden.

Ein Großteil der Forschungsliteratur zur Einhaltung internationaler Normen erklärt diese entweder als durch Zwang (coercion) oder über Staatskapazität (capacity) erreichte, d. h. durch wirtschaftlichen Druck oder eine stabile Bürokratie innerhalb des Landes. Darauf aufbauend zeigt Peez, dass es ein solches Entweder-Oder nicht geben kann. Vielmehr spielen zahlreiche Faktoren, etwa das mehr oder weniger konsequente Vorgehen eines Landes gegen Korruption, internationaler Druck und Ächtung (shaming), die Einbindung der lokalen Bevölkerung in den Umgang mit Ressourcen sowie grenzübergreifendes Agieren der Politik hinein. Peez zeigt, dass die Erklärungsmodelle nur in gegenseitiger Ergänzung fruchtbar sein können und unterstreicht die Bedeutung internationaler Kooperation für die Etablierung gemeinsamer Normen und Ziele anhand des Artenschutzes.

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KUNSTPROJEKT

Ein neuer Rekrut!

Zwischen den Stühlen der globalen Player, zwischen Handel, Tourismus, Politik steht der Elefant als Population, an deren Entwicklung sich Aussagen über die (In-)Stabilität eines Landes treffen lassen. Die Installation nähert sich dieser Position über teils erzählerische, teils statistisches Bildvokabular zitierende Gravuren. Welches Verhältnis zwischen den Spezies wird touristisch nutzbar gemacht? Wer handelt eigentlich mit Elfenbein? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Konzept der »flagship species«, das einzelne Arten für Tierschutz-Kampagnen einsetzt, darüber aber die systemische Komplexität zu vergessen droht? Die Installation greift zudem textlich eine ortlose Atmosphäre der Existenzbedrohung auf, die nicht nur das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, sondern auch das zwischen Menschen und Menschen prägt. Die Anerkennung von Lebens- und Handlungsräumen zeigt sich, über alle nationalen, religiösen und konfessionellen Grenzen hinweg, erschreckend fragil und ideologisch eingeschränkt.

Blockadia*Tiefsee: Martin Dörr, Petra Metzner, Joëlle Pidoux, Mathias Weinfurter, Linda Weiß

FORSCHUNGSPROJEKT

»Geteilte Räume«

Estefania Lopez-Granados

Geteilte Räume

Seit März 2019 steht Mosambik aufgrund der Zerstörung durch den Zyklon Idai im medialen Rampenlicht. Die Situation zwingt die Regierung zum Handeln. Dabei drängen nicht nur Investitionen in den Küstenschutz, die Kanalisation und andere Infrastrukturen, sondern auch lange schwelende Konflikte belasten die Situation im Land. Mehr als 40 Jahre nach der Unabhängigkeit scheint Mosambik von politischer Stabilität und Frieden weit entfernt.

Auf lokaler Ebene führen Großprojekte internationaler Firmen vor allem im Norden des Landes zu sozialen Konflikten und vereinzelten Terroranschlägen. Zudem spaltet sich das Land in den von der ehemaligen Befreiungsarmee Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO) dominierten Süden und die von der gegnerischen Resistência Nacional Moçambicana (RENAMO) regierten zentralen Landesteile. Eine Politik der Repression durch Misswirtschaft und Vernachlässigung großer Bevölkerungsteile prägt das Land, internationale Hilfsgelder versickerten zum nicht unerheblichen Teil in der Hauptstadt. Auch Journalist_innen und Demonstrant_innen für die Rechte junger Mosambikerinnen werden zunehmend behindert und bedroht.

In ihrem ethnografisch ansetzenden Projekt »Raumordnungen einer gespaltenen Gesellschaft: Produktion und Aneignung von Konflikträumen in Mosambik« untersucht Estefania Lopez-Granados die wiederkehrenden Konflikte in ihren räumlichen Dimensionen. Orte sind immer auch mit Zeiten verbunden – häufig mit einer historischen Vergangenheit, wenn etwa Straßen nach sozialistischen Führern und Diktatoren benannt sind, öffentliche Plätze mit Statuen fast vergessener Freiheitskämpfer geschmückt sind, Architekturstile vermehrt von einer kolonialen Geschichte erzählen, die sich weiterhin merkwürdig ungebrochen ihren Raum nimmt. Was aber, wenn diese Vergangenheit einer jungen Generation nicht mehr zur Identifizierung dient? 

In Maputo boomt die Baubranche – doch was baut sich hier auf? Ein neues kapitalistisches Zeitalter? Ein aufstrebender Tourismus-Magnet?

Öffentliche Räume haben das Potential, Kollektive aus Individuen zu mobilisieren – doch wie müssen sie eigentlich beschaffen sein, um als Schnittstellen zwischen der Überwindung einer lähmenden Vergangenheit und dem aktiven Aufbau einer neuen Zukunft fungieren zu können? Plätze in der Stadt, wenn sie als Treffpunkte für Gespräche oder gar Proteste dienen, können zu Symbolen und Aushandlungsorten einer gemeinsam gestalteten Zukunft werden. Häufig entfalten sie ein solches Potential im Zuge einer Interaktion digitaler und physisch-analoger Spielräume, in denen Diskussionen geführt werden und politische Zusammenschlüsse stattfinden. 

Im Mittelpunkt von Estefania Lopez-Granados’ Forschungsprojekt steht der Raum als Ausdruck und Strategie sozialer und politischer Praxis – die Frage, wie innere und äußere Akteure eine gespaltene Raumkonstruktion auch mittels erinnerungskultureller Praxis reproduzieren und wie diese Routinen durchbrochen werden könnten, um Frieden in Mosambik zu befördern – ein Klima, in dem neues Wissen, neue Träume oder gar revolutionäre Gedanken für ein soziales Miteinander entstehen können.

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KUNSTPROJEKT

Order of Sound

Jeder Winkel einer Stadt besitzt einen individuellen Klang. Die über die Luft transportierten Frequenzen im urbanen Raum wandeln sich stetig. In »Order of Sound« machen Antennenempfänger die elektromagnetischen Wellen, die uns umgeben – und damit gewissermaßen eine unsichtbare »Verschmutzung« –, hörbar. Zugleich schafft das nervöse Surren eine vibrierende Atmosphäre, die für so viele Grauzonen in unserer Wahrnehmung krisenhafter Zonen und Situationen stehen könnte. Das Potential einer spezifischen Umgebung, durch die in ihr anwesenden Menschen und technologischen Geräte, Sender und Empfänger, zu kommunizieren, Versammlungen und Aktionen zu er-möglichen, schwingt unterschwellig mit.

Christos Voutichtis

FORSCHUNGSPROJEKT

»Verbindliche Regeln statt entbindender Freiwilligkeit«

Medico International

Zusammensetzung Bündnis für nachhaltige Textilien

Der 11. September „9/11“ ist weltweit unvergesslich. In Pakistan kommt ihm eine besondere Bedeutung zu: Hier spricht man vom „Industrial 9/11“ und meint den 11. September 2012. An diesem Tag brannte in Karatschi die Textilfabrik Ali Enterprises ab, deren mutmaßlich wichtigster Auftraggeber der deutsche Discounter KiK war. Beim größten Industrieunfall der pakistanischen Geschichte starben fast 300 Menschen, die meisten verbrannten bei lebendigem Leib. Zwei Monate später brannte die Textilfabrik Tazreen Fashion in Dhaka in Bangladesch. Noch einmal fünf Monate später stürzte die Textilfabrik Rana Plaza ein, ebenfalls in Dhaka. Diesmal starben 1135 Menschen, 2438 wurden verletzt. In den rund 5000 Textilfabriken Dhakas arbeiten ca. vier Millionen Menschen bis zu 14 Stunden am Tag und verdienen im Durchschnitt zwei Dollar täglich. Die meisten sind nach Dhaka gekommen, weil sie auf dem Land keine Überlebensperspektive mehr hatten. Unter solchen Bedingungen eine Anstellung zu finden, heißt für sie schon, „ans Ziel“ gekommen zu sein.

Wir Konsument_innen machen dabei unser Schnäppchen. Beim Import von Textilien besetzt Deutschland weltweit den zweiten Rang hinter den USA. Dieser, imperial zu nennende, Umgang mit Textilien ist nur durch den Zugriff auf die sozialen und ökologischen Ressourcen des Globalen Südens möglich. Gesellschaften, die eine solche Lebensweise praktizieren, nennt man Externalisierungsgesellschaften. Ihre Bürger_innen verlagern die zerstörerischen Folgen ihrer Lebensweise auf Gesellschaften und Ökosysteme andernorts.

In der Folge der Katastrophen bei Ali Enterprises, Tazreen Fashion und Rana Plaza hat sich im Wesentlichen nichts geändert. Nicht in Bezug auf die Löhne und die Intensität der Plackerei. Nicht in Bezug auf die systematische Missachtung der meist weiblichen Arbeiter_innen. Nicht in Bezug auf die Verletzung von Sozialgesetzgebung und Arbeitsrecht. Asiatische Unternehmer_innen, die bereit wären, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, handeln sich damit nichts als einen Wettbewerbsnachteil in der Konkurrenz um ausländische Aufträge ein.

Auch wenn nach dem Einsturz von Rana Plaza viele Firmen den „Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh“ unterzeichnete, auf dessen Basis in mehr als 1.600 Fabriken mehr als 97.000 bekannte Gefahren beseitigt wurden, nimmt der Druck auf Unternehmen ab. Dazu trägt der Erfolg des „Rana Plaza Arrangements“ bei, das die Entschädigung der Überlebenden und Hinterbliebenen regelt. Auch wenn Zahlungen für Erwerbsausfälle und ärztliche Behandlungen wichtig sind, laufen derzeit mehrere, durch internationale Organisationen unterstützte, Klagen. Deren politischer Einsatz zielt auf die Notwendigkeit, das System „freiwilliger Selbstverpflichtung“ zugunsten gesetzlicher Regelungen zu beenden, mit denen Unternehmen juristisch zur Verantwortung gezogen werden können.

Auch das 2014 vom deutschen Bundesentwicklungsminister initiierte „Bündnis für nachhaltige Textilien“ verzeichnet zwar Erfolge durch Maßnahmen etwa zur Vermeidung gesundheitsschädlicher Chemikalien oder Durchsetzung existenzsichernder Löhne – es scheut jedoch ebenso vor gesetzlichen Regelungen zurück. Ein „Textilbündnis“ macht aber nur Sinn, wenn es im Horizont der globalen Initiativen für einen „Binding Treaty“ geschlossen wird, mit dem Staaten den unbedingten Vorrang des Menschenrechts auch vor Verpflichtungen von Handels- und Investitionsschutzabkommen anerkennen; mit dem Staaten die bei ihnen ansässigen Unternehmen gesetzlich zur Achtung der Menschenrechte und verpflichten sich dazu aller politisch wie juristisch notwendigen transnationalen Kooperationen bedienen.

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GESTALTUNGSPROJEKT

Fast Fashion

Auf den ersten Blick wirkt die Installation des künstlichen Korallenriffes bunt und schön, doch zeigt sie sich als farbenfrohe Halde aus alltäglichem Plastikmüll – gesammelt von den Künstlerinnen aus privatem Verbrauch, aus den Wertstofftonnen von Supermärkten und der Hochschule selbst. Seit Jahrtausenden kommt Korallen als den »Blumentieren« eine herausragende kulturelle Bedeutung zu. Unser Konsummüll sowie die CO2-Emission drohen jedoch mittlerweile die Korallen in den Mee-ren zu ersticken. Die Installation stellt die Vielfalt des unverwüstlichen Plastikmülls einer gefährde-ten Vielfalt der Lebensformen im Ozean gegenüber und überlässt es uns, daraus eigene Konsequen-zen zu ziehen.

Helene Brenner

HfG Offenbach