»Making Crises Visible«. Workshop am 25. und 26. Oktober 2018 an der HfG Offenbach

27.10.2018

Die Krise ist da. Sie macht sich breit auf unseren Bildschirmen, auf Handyscreens, auf medialen Oberflächen aller Art. Naturkatastrophen, geschädigte Demokratien, diplomatische Fehltritte und Provokationen nehmen verheerende Auswirkungen auf Natur und Gesellschaft, sie pausieren selten und multiplizieren einander in ihrer Einflussmacht. Schon länger lungert die Krise auch in europäischen Banken und Parlamenten herum.

Krisen wirken verworren, fordern gerade dadurch aber zum Entwirren auf und laden ein, Lösungen zu finden. Eine Krisendiagnose ist kein »Schicksalsurteil«, sondern ruft zur Aktion. Sie kann gemeinschaftsbildend, aber auch spaltend auf die adressierte Gesellschaft wirken.

Die Krise ist da. Wo ist sie eigentlich? Wer macht da mit? Was ist zu tun?

Das interdisziplinäre Ausstellungsprojekt »Making Crises Visible« hat sich zum Ziel gemacht, genauer hinzuschauen. Ein erster Schritt – oder Blick –hin zum Gegenstand und seinen Untersuchungsmethoden wurde am 25. und 26. Oktober 2018 mit einem Workshop an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach getan. Eingeladen waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Leibniz-Institute für Raumbezogene Sozialforschung (IRS), für Troposphärenforschung (TROPOS) und Hessische Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) sowie der Generaldirektor des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt, Volker Mosbrugger. Zwei kuratorische Positionen aus Frankfurter Museen vervollständigten die thematisch diverse Runde.

Die Beiträge von Verena Brinks und Irmgard Zündorf widmeten sich aus geographischer und historischer Perspektive der raumzeitlichen Verbreitung von Krisen im Rahmen ihrer Bewältigung – wie Brinks anhand des Krisenmanagements in der EHEC-Krise aufzeigte –, aber auch hinsichtlich ihrer Begleitung durch mediale Bilder, auch im Rückblick durch die populäre Geschichtsschreibung – wie Zündorf am Beispiel des »Krisenjahrs« 1979 erläuterte.

Honey Alas und Lina Tönisson berichteten von den alarmierenden Ergebnissen ihrer Forschung zur Luftqualität in Manila. Die Verwertung alter Dieselfahrzeuge als beliebte öffentliche Verkehrsmittel, sogenannte »Jeepneys«, habe entscheidenden Anteil an der Verschmutzung, so dass eine Sensibilisierung und Bewegung der Bevölkerung zum Umdenken immer drängender werde.

Welche Rolle staatliche Entscheidungen, aber auch die Akzeptanz und »compliance« gegenüber gemeinsamen Gesetzen und Normen spielen betonten auch Anton Peez mit dem Fokus auf den Elefantenschutz sowie Nicole Deitelhoff mit Blick auf die Zusammenarbeit internationaler Institutionen generell. Ein wichtiges Instrument zur Konfliktlösung, so zeigte sich im Beitrag Stefan Krolls, kann dabei die auch auf internationaler Ebene angewandte Schiedsgerichtsbarkeit bieten.

Wie sich das Erleben von – auch persönlichen – Krisensituationen im Alltag in extremen politischen und religiösen Ansichten einzelner Individuen und Gruppen niederschlagen, war Thema der Präsentation von Hande Abay und Julian Junk. Die Wissenschaftler_innen aus dem Projektverbund PANDORA gaben exemplarisch für den salafistischen Bereich einen Überblick über verschiedene Ausdrucksformen einer Radikalisierung online im Netz.

Den Abschluss der wissenschaftlichen Impulsreferate und zugleich den Auftakt in den zweiten Workshoptag bildete Volker Mosbruggers Vortrag über die Zusammenhänge von Migration und Flucht als Folge einer zunehmend zerstörten und in ihren Ressourcen begrenzten Umwelt im Anthropozän.

In den anschließenden Gesprächsrunden in thematischen Gruppen tauschten sich Forscher_innen und Studierende über ihre persönlichen Interessen und Anliegen aus. Gesprochen wurde über Methoden der Datenerhebung und -auswertung sowie die damit verbundenen Herausforderungen. Gerade die Vermittlung der Ergebnisse an ein breiteres Publikum und insbesondere der Relevanz der Forschungsresultate für unser gegenwärtiges und zukünftiges Miteinander auf der Erde wurde dabei als zentrale Schaltstelle ausgemacht, die jedoch nicht immer komplikationslos funktioniere.

Genau hier setzt die gemeinsame Arbeit für die Ausstellung im Senckenberg Naturmuseum 2020 an: Hier sollen nicht nur die Projekte des Leibniz-Forschungsverbundes »Krisen einer globalisierten Welt«’ anschaulich gemacht, sondern auch ein Bewusstsein für die nicht nur lähmende, sondern auch aktivierende Kraft einer Krisendiagnose geschaffen werden. Die Krise sollte nicht als hoffnungslos voranschreitender Zusammenbruch eines sozialen, ökonomischen oder ökologischen Systems gesehen werden, sondern als Chance zur Transformation in eine bessere Zukunft.

Wichtige Impulse für ein Nachdenken über eine sowohl ästhetische als auch politische Vermittlung von Inhalten, gaben die Kuratorinnen Martina Weinhart (Schirn Kunsthalle Frankfurt) und Mahret Kupka (Museum für Angewandte Kunst Frankfurt), die in ihren Berichten aus der Praxis auf mögliche aktivierende und politisierende Wirkungen von Ausstellungen schauten. Während Mahret Kupka den Ansatz eines Kuratierens als Zuhören und Erzählen von Geschichten entfaltete, in welchem der oder die Kuratierende zu einer Art sensiblen Membran zwischen verschiedenen kulturellen Sphären wird, stand bei Martina Weinhart vor allem die Involvierung der Betrachtenden im Vordergrund.

Krisen in einem Zusammenspiel von Fakten und Imaginationen sinnlich erfahrbar, zugänglich im buchstäblich und übertragenen Sinn zu machen, kann bedeuten, alternative Geschichten zu einem erwarteten Ausgang zu erzählen und Informationen in räumliche Inszenierungen einzubetten, die neue Blickwinkel auf die Sache ermöglichen. Dass dabei im Gestalterischen und Künstlerischen nicht nur reine Illustration, sondern auch Provokation und Spekulation über die Chancen und Risiken einer Krisensituation gefragt sei, betonte zum Abschluss des Workshops Klaus Hesse, der gemeinsam mit Felix Kosok die Seminare zur Erarbeitung der Ausstellung an der HfG Offenbach leitet.